Beantworten Sie sich folgende Frage: «Schaue ich gerne Dokumentationen über Verbrechen an?» oder auch «Schaue ich gerne Aktenzeichen XY im Fernsehen?». Wenn Sie beide Fragen mit JA beantworten können, dann kaufen Sie dieses Buch. Unbedingt.
Der Autor Peter Hossli hat an Weihnachten 2017 mit seinem Schwiegervater gegessen und der hat ihm die Geschichte eines Mordfalls im Jahre 1957 berichtet. Daraufhin hat Hossli mit seiner Recherche begonnen und den damaligen Mordfall in der Region Baden/Brugg minutiös aufgearbeitet.
Danach hat er sich ans Aufschreiben gemacht und heraus gekommen ist die «Revolverchuchi». Ein 230seitiges Werk, welches die Idee einer komplett gescheiterte Umsetzung eines Raubes und die Konsequenzen daraus, in einer sehr spannenden Abfolge beschreibt. Gewürzt wird die Geschichte mit kleinen Referenzen des Autors an die zeitgleich stattfindenden, internationalen Begebenheiten. So wissen wir heute, dass zu dem Zeitpunkt, als Peter Staldermann (Das Opfer) durch einen Schlag auf den Kopf mit einem Wagenheber in der Nähe von Brugg erheblich verletzt wird, beinahe zeitgleich die Hündin Laika an Bord einer Sputinik-Rakete ins All geschossen wird. Laika ist todesgeweiht. Stadelmann auch. Und das macht diese Ausflüge in die Internationale Aktualität (von denen in Brugg oder Baden niemand Notiz nahm) sinnvoll und lehrreich.
Hossli nimmt die Lesenden mit in die Zeit um 1957, zeigt das Leben auf und lässt uns, die nach 1960 geboren wurden, staunen! Da wurde noch geheiratet, wenn man denn verruchteerweise schon vor der Ehe Sex hatte und erst noch schwanger wurde. Da wurden christliche Regeln sektenartig befolgt. Da war die Politik noch Sache der Männer und absolut nicht frei von «Vetterliwirtschaft». Da wurden Abtreibungen im Hinterzimmer durch «Engelsmacherinnen» vorgenommen oder allein zuhause durch die Einnahme eines Medikamentes. Kuriose Geschichten, die man aber alle glauben muss, weil sie gut recherchiert und nicht der Fantasie des Autors entsprungen sind.
Der Höhepunkt des Buches sind allerdings die Umschlagfotos: Es sind zwei grossformatige Portraits von den beiden Hauptfiguren, sodass man sich realer Bilder für das Kopfkino während des Lesens bedienen kann: Grossartige Idee.
Generell ist das Buch sehr schön zu lesen, vorausgesetzt, man ist der Schweizer Sprache (Dialekt) mächtig. Zwar ist ein Glossar angefügt, aber es dient dem Lesespass, wenn man Wörter wie «hurtig», «Plagööri», «Siebesiech» oder «Schroter» und deren Bedeutung kennt…
«Revolverchuchi» im Hardcover kostet um die 35 Franken. Wenn man zu den JA-Beantworter der eingangs gestellten Fragen gehört, ist es das Geld definitiv wert!