Oops – I did it again! Milde gestimmt durch die Ruhe und Erholsamkeit einer Altjahrwoche in den Bergen kam ich auf meinen Entscheid zurück, die für den Schweizer Buchpreis 2021 nominierten Debütierenden für einmal links liegen zu lassen. Und griff doch noch zur Prämierten Martina Clavadetscher und ihrem Zweitling «Die Erfindung des Ungehorsams».
Die Geschichte dreht sich um künstliche Intelligenz und drei Frauen: Iris, die in Manhattan bei mit seltsamem Personal besetzten Dinnerpartys eigenartige Geschichten erzählt. Ling, die in einer chinesischen Sexpuppen-Fabrik künstliche Frauenkörper auf Herstellungsfehler kontrolliert. Und die mathematisch begabte Ada, die in England an ihrer Vision von programmierten Maschinen arbeitet. Während Letztere als Ada Lovelace (1815 - 1852) tatsächlich gelebt und als «erste Programmiererin» in die Geschichte eingegangen ist, sind die anderen literarische Kunst- (und wohl auch künstlich-intelligente) Figuren.
Laudator Daniel Graf assistierte dem Roman unter anderem «sprachliche Kraft», und diese habe ich auch gespürt. Clavadetscher verfügt über einen reichen Wortschatz, den andere Nominierte (siehe etwa den Check von Thomas Duartes Fall «Was der Fall ist») vermissen lassen, und setzt diesen in einem unkonventionellen Layout clever ein, um damit das Generalthema KI auch stilistisch zu unterlegen. Allerdings habe ich bei der vergnügten Lektüre ob der schönen Details das grosse Ganze bald aus den Augen verloren. Und es hat sich mir auch nicht erschlossen, weshalb die real existiert habende Ada auf der gleichen Story-Ebene wie die beiden Kunstfiguren angesiedelt wird. «Sie sind alle auf der Suche nach dem Kern der Dinge» erklärt es Graf.
Diese Suche hätte ich erst mit einer zweiten Lesung mit Aussicht auf Erfolg abschliessen können. Aber das war mir dann die Erfindung des Ungehorsams trotz Buchpreislorbeeren doch nicht wert.