Als ehemaliger Anglistik-Student lese ich Bücher aus dem angelsächsischen Raum manchmal im Original. Das versuchte ich im letzten Sommer auch etwa mit dem Debutroman «Shuggie Bain» von Douglas Stuart. Ich kam jedoch über die ersten paar Seiten nicht hinaus, da der schottisch-amerikanische Schriftsteller die Dialoge im kernigen, aber für Nicht-Schotten schwer verständlichen Dialekt der Glasweger (sic!) Arbeiterklasse verfasst hat. Diese Hürde konnte auch Sophie Zeitz, die den Roman ins Deutsche übersetzt hat, nicht nehmen. Statt in diesen einfach beim Standarddeutsch zu bleiben – Stuart verortet ja den Schauplatz Glasgow und das Milieu der arbeitslosen Bergbau-Arbeitern gleich am Anfang - greift sie auf einen grotesk überzeichneten, beim Lesen arg ermüdenden Berliner Jargon zurück. Unnötig!
Das ist aber das Einzige, was an diesem mit dem Booker Price ausgezeichneten Bestseller den Lesegenuss trübt. Er spielt vor dem Hintergrund der Armut und der sozialen Hoffnungslosigkeit der nordenglischen Zechenkumpel, die in Aera des Thatcherismus ihre Arbeit verloren haben, und ihrer Familien. Sein Titelheld Shuggie wächst in Glasgow auf, der Vater verlässt die Familie früh und der Siebenjährige bleibt erst mit zwei Halbgeschwistern und nach ein paar Jahren allein mit seiner Mutter. Diese verfällt angesichts der beelendenden Situation zunehmend dem Alkohol und der kleine, zarte und höfliche Shuggie, der zu alledem in der Schule als «Schwuchtel» gemobbt wird, beschützt und pflegt seine Mutter mit unerschütterlicher Liebe und bedingungsloser Hingabe auch in den tiefsten Abgründen ihrer Sucht und bis zu ihrem Tod. Als sie stirbt, ist er 16 und auf sich selbst gestellt.
Douglas schildert in seinem Buch seine eigene Jugend, inklusive fehlendem Vater, süchtiger Mutter und Homosexualität und dem einsamen Leben in einer schäbigen Pension ab Alter 16. Kein Wunder sind Milieu und Personal dieses 500-Seiten-Wurfs an Authentizität nicht zu überbieten. Man möchte ihn am liebsten in einem Zug durchlesen.