Ich weiss nicht, ob man das in Zeiten von political correctness überhaupt noch so sagen darf, aber: Ich liebe den jüdischen Humor. Vor vierzig Jahren habe ich die Kurzgeschichten von Ephraim Kishon verschlungen und später den selbstironischen Ansatz jüdischer Humoristen im Roman «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» von Thomas Meyer oder im Film «Alles auf Zucker» von Dani Levy wieder gefunden. Einen grossen Teil der Komik generieren die Autoren dieser Werke ja mit der ironischen Beschreibung der selber erfahrenen Irrungen und Wirrungen, welche die Vorschriften und Traditionen der Religion in jüdischen Grossfamilien so mit sich bringen.
Als in den Bestseller-Listen deshalb unlängst «Serge» von Yasmina Reza auftauchte – einer französisch-iranischen Autorin aus einer alten und weitverzweigten jüdischen Familie - und mit den Worten «Die Geschwister Popper: Serge, verkrachtes Genie und homme à femmes, Jean, der Vermittler und Ich-Erzähler, und Nana, die verwöhnte Jüngste mit dem unpassenden spanischen Mann. Eine jüdische Familie!» angepriesen wurde, habe ich sofort zugegriffen. Und keine einzige von insgesamt 200 Seiten hat meine hoch gesteckten Erwartungen enttäuscht. Reza schildert die Pilgerfahrt von drei Geschwistern einer jüdischen Familie in die Konzentrationslager Auschwitz und Birkenau mit soviel unterhaltsamer Ironie und beissendem Sarkasmus, wie sie sich ein Nichtjude niemals herausnehmen dürfte ohne sich des Rassismus verdächtig zu machen. Dabei vermeidet sie jeglichen Klamauk, wie ihn etwa Levy in seiner «Zucker»-Komödie grosszügig veranstaltet, sondern spiegelt die persönlichen Schwächen der zerstrittenen Familienmitglieder anrührend verständnis- und liebevoll.
Nils Minkmar hat in der «Süddeutschen Zeitung» über «Serge» geschrieben: «Dieses meisterliche Buch gehört zum Besten, was es derzeit zu lesen gibt.» Wo er recht hat, hat er recht ….