Der Ich-Erzähler Zach Wells ist ein alternder, im Beruf und der Ehe desillusionierter Archäologie-Professor, der seinen drögen privaten und akademischen Alltag unter der Sonne Kaliforniens mit zynischem Desinteresse angeht. Das einzige, was der «Man of Colour» liebt und wofür er echtes Interesse und emotionales Engagement zeigt, ist seine mittlerweile 12jährige Tochter. Als das Kind vor seinen und seiner Frau Augen in wenigen Jahren an einer seltenen Krankheit buchstäblich zerfällt und im Pflegeheim stirbt, eskaliert seine Unzufriedenheit mit dem Leben zu einer veritablen Krise.
In der Folge lenkt sich der verzweifelnde Vater mit der verbissenenen Verfolgung einer rätselhaften Spur ab, auf die ihn geheimnisvolle Botschaften in einer auf e-bay bestellten Jacke geführt haben. Er verfolgt den Hilferuf bis an die mexikanische Grenze, wo er einem mafiösen Mädchenhändler-Ring auf die Spur kommt: Skrupellose Verbrecher entführen in Mexico Frauen und zwingen sie zur illegalen Arbeit in ihrem dubiosen Versandzentrum hinter der mexikanisch-amerikanischen Grenze zwingt.
Nicht nur die zweigleisig angelegte Story – Zach rettet fremde Frauen, weil er der eigenen Tochter nicht helfen kann – hat mir gefallen; auch der Erzählstil des Autors hat es mir angetan. Bei aller Grundunzufriedenheit der Hauptfigur und der Tragik des Geschehens in beiden Handlungsfeldern lässt Sprachkünstler Everett immer wieder einen lakonischen, schalkhaften US-Humor aufblitzen, der die Lektüre zum ungetrübten Vergnügen macht.
Ich bin in diesem Check nicht auf nähere Details der Handlung eingegangen. Eine Besprechung dieses Romans in der Basler Zeitung vom 27. April 2022 weist nämlich darauf hin, dass es von diesem Roman drei Versionen gibt, die sich in einzelnen Sätzen, aber auch in wichtigen Handlungsepisoden unterscheiden. «Mal plant der Held etwas nur, mal führt er es aus, mal wird er dabei gestört. Auch der Schluss unterscheidet sich deutlich.» Aha. Mal was anderes!