Stellen Sie sich vor, Donna Leon liesse in ihrem neuen Krimi eine Berta Pommerigio in Bari ermitteln. Oder Hansjörg Schneider schickte die junge Kommissärin Bärlocher in Aarau auf Verbrecherjagd. Unmöglich, sagen Sie? Nicht für Alfred Bodenheimer. Wo sein Name draufstand, war bisher Rabbi Klein drin, so zuverlässig wie bei Leon Brunetti und Hunkeler bei Schneider. Doch nun – nach sechs Bänden mit dem «originellsten Hobby-Detektiv der Schweiz» (Hansruedi Kugler im «Tagblatt») - bekommt es der Fan des gemütlichen Rabbiners, der seine Nase gern in ungelöste Kriminalfälle im jüdischen Milieu Basels und Zürichs steckt, ohne Vorwarnung mit der israelischen Polizeipsychologin Kinny Glass und Jerusalem zu tun.
Leider kann die professionelle Polizistin ihrem Laien-Vorgänger aber die Mazze nicht annähernd reichen. Auch die konstruierte Allerweltshandlung, auf die an dieser Stelle gar nicht näher eingegangen werden soll, nähert sich gefährlich dem Niveau eines mediokren TV-«Tatorts» an - inklusive psychische Macken und familiäre Verbandelungen mit Opfern und Tätern bei der Ermittlerin. Und der «Jerusalem»-Krimi, wie der dort (auch) wohnhafte Autor sein neustes Buch – offensichtlich in Anlehnung an die Fernsehformate «Usedom»- oder «Schwarzwald-Krimi» - etikettiert hat, verzichtet auch nicht auf Anspielungen auf die politische Situation im Nahen Osten und die komplizierten Verhältnisse in der israelischen Regierung, die mit dem Fall grad gar nichts zu tun haben.
Wer für derartige Exkurse sowie die «Chnörze» einer dienstmüden israelischen Polizei-Psychologin genügend Interesse aufbringt, mag zu diesem «Mord in der Strasse des 29. Novembers» greifen. Wer sich aber beim Namen Bodenheimer auf einen weiteren Fall des humorvollen Menschenfreunds Klein und einige geistreiche Einblicke in orthodoxe jüdische Lebenswelten freut (z.B. https://www.buechercheck.com/2021/02/06/der-boese-trieb-von-alfred-bodenheimer/), lässt das Buch besser liegen.