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Doppelleben. Von Alain Claude Sulzer.

Wieder einmal ein Vorurteil widerlegt!

Alterswerken von etablierten Stars des Literaturbetriebs begegne ich mit Vorsicht. Zu oft bin ich enttäuscht worden, wenn die Kritiker mediokre Spätwerke von alten weissen Männer wie Martin Walser oder Adolf Muschg hochjubelten, nur weil sie die von ihnen selbst errichteten Denkmäler nicht zu schänden wagten. Entsprechend skeptisch war ich deshalb, als der neue Roman von Altmeister Alain Claude Sulzer mit Lobeshymnen überschüttet wurde. Die Tagebücher von zwei französischen Schriftstellerbrüdern in Romanform giessen? Soll man sowas lesen, auch wenn es von einem kommt, der einen mit wunderbaren Werken wie «Ein perfekter Kellner» beglückt hat?

Ja, man soll! Der Basler Autor formt aus den Notizen, welche Edmond und Jules de Goncourt täglich zu ihrem Privat- und Gesellschaftsleben im Paris des 19. Jahrhunderts gemacht haben, eine spannende Milieustudie. Das Psychogramm der beiden ungleichen Gebrüder, welche die zerstörerischen Auswirkungen einer Syphiliserkrankung des Jüngeren bis zu dessen Tod ignorierten und «Erschöpfungszuständen» infolge Überarbeitung zuschrieben, aber auch der Gesellschaft, in der sie sich bewegen, schlägt einen sofort in Bann.

In einem zweiten Handlungsstrang erzählt Sulzer die unglaubliche, aber wahre Geschichte der langjährigen Haushälterin der beiden Goncourts. Diese Rose verstrickte sich hinter ihrem Rücken in dubiose Liebschaften, heiratete, gebar heimlich ein Kind und betrog, um das alles zu finanzieren, ihre Herrschaft nach Strich und Faden, ohne dass diese etwas davon merkte. Erst mit dem Tod der Frau realisierten sie die Vorgänge und ahnen die Tragik hinter dem Schicksal der ihnen über lange Jahre vermeintlich treu Ergebenen.

Fazit: Ein nach allen Regeln der Kunst verfasster Roman, der sich nicht nur leicht und spannend liest. Man entnimmt ihm auch viel Wissenswertes über Politik und Gesellschaft der Epoche der beiden Goncourts.

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