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Rauch und Schall. Von Charles Lewinsky.

Hatte Goethe einen Ghostwriter?

Charles Lewinsky ist zweifellos der vielseitigste und produktivste Autor der Schweizer Gegenwart. Theaterstücke hat er geschrieben («Drei Männer im Schnee») und TV-Serien («Fascht e Familie»), Schlager («Das chunnt eus spanisch vor») wie Musicals («Oh läck du mir!»). Und immer wieder Bücher, darunter in meinen Augen grosse Literatur wie die atemberaubende Familiensaga «Melnitz» oder die fiktiv-reale Schauspielerbiografie «Gerron», aber auch leichtere Kost wie die Fabel «Sein Sohn» (https://www.buechercheck.com/2023/12/19/sein-sohn-von-charles-lewinsky/) über Louis-Philippes I. uneheliches Kind in Graubünden oder die Eugenspiegelei «Der Halbbart» über den fiktiven Schwyzer Erfinder der Hellebarde.  Immer handwerklich tadellos, immer unterhaltsam, immer ein Lesevergnügen.  

Zur zweiten Kategorie gehört auch die Schnurre «Rauch und Schall». Voller Schalk unterschiebt der Comedy-Profi dem von Altersbresten geplagten Johann Wolfgang Goethe einen Schreibstau. Angesichts dringender Aufträge seines fürstlichen Mäzens muss der einfallslose Dichterfürst zähneknirschend den als Stümper verachteten Bruder seiner Frau als Ghostwriter beiziehen. Dieser «Gebrauchsliterat» Christian August Vulpius bringt nun sein grosses Vorbild in Verlegenheit, indem er nicht nur das verlangte Lobgedicht für den Geburtstag der Fürstin in einer einzigen Nacht zu Papier bringt, sondern dem Titanen auch ein Rezept für die Überwindung seiner Blockade verschreibt: Seine Ansprüche an sich seien zu hoch; er solle doch für einmal ungehemmt losschreiben, und werde es auch Schund.

Tatsächlich bringt die Arbeit an einer grässlich kitschigen Klamotte über einen Räuberhauptmann und seine Geliebte Johann Wolfgang die Freude am Schreiben zurück. Dummerweise wirft er das vollendete Manuskript aber nicht selber ins Cheminée, sondern delegiert das seinem Schwager. In Geldnöten verkauft es dieser unter seinem eigenen Namen einem Verleger und landet damit den Verkaufsschlager «Rinaldo Rinaldini».

Alle drei – Goethe, Vulpius und den Roman – gab respektive gibt es wirklich. Dass der «Arztroman» des Schmierenschreibers in Wirklichkeit vom grossen Goethe stammt und umgekehrt Ersterer gefeierte Hymnen des herzoglichen Hofdichters zusammenreimte, ist hingegen die augenzwinkernde Erfindung des Tausendsassas Lewinsky. Wie die beiden Herren in der Schlussszene mit dieser brisanten Entdeckung umgehen, lohnt allein schon die Lektüre!   

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