Wieder hat sich der wunderbar wandelbare Schweizer Comedy- und Drehbuchautor, Songtexter und last not least Schriftsteller Charles Lewinsky an eine Biographie gewagt. In lakonischen Sätzen erzählt er die Geschichte eines Knaben, der in einem Mailänder Waisenhaus aufwächst. Ein Unbekannter hat ihn dort abgegeben und Kost und Logis bis zum vollendeten 18. Lebensjahr gleich vorausbezahlt. Dieser Louis Chabos reisst aber vorher schon aus und heuert in Napoleons Truppen an.
Nach traumatischen Erlebnissen auf dem Russlandfeldzug 1812 wird er in Graubünden sesshaft, gründet eine Familie und findet als anerkannter Bürger und Funktionär in seiner Gemeinde ein vorübergehendes Glück. Die Frage nach seinen Eltern lässt ihn jedoch nicht ruhen, und er sammelt immer mehr Hinweise darauf, dass ihn der französische «Bürgerkönig» Louis-Philippe I. während seiner Emigration im Kanton Graubünden mit einer Köchin gezeugt haben muss. Er findet auch seine Mutter, kann sie allerdings wegen ihrer fortgeschrittenen Demenz nicht befragen. Deshalb macht er sich auf nach Paris, wo sein mutmasslicher Vater unterdessen als König eingesetzt worden ist. Seine Versuche, bei Hofe vorgelassen zu werden, scheitern jedoch; Chabos landet in der Gosse und stirbt, fern von Heimat und Familie, in der Stadt an der Seine.
Erzählt wird die Geschichte in bester Lewinsky-Manier: Spannend, mit starken Figuren, viel Tempo und der erzählerischen Routine eines mit allen Stilwassern gewaschenen Profis. Die 100 kurzen Kapitel haben Kürze und Würze und geben einen aufschlussreichen Einblick ins Leben des «kleinen Mannes» im 18. Jahrhundert in der Schweiz und in Frankreich. Verbürgt ist an der Story allerdings lediglich, dass es Louis Chabos gegeben hat. Der Rest ist Fiktion, aber nichtsdestotrotz – oder gerade deswegen – ein Lesevergnügen der Sonderklasse.