Der Titelheld des Buches «Heinz Labensky und seine Sicht auf die Dinge» ist eine Art Forrest Gump 2.0, ein intellektuell beschränkter älterer Herr aus der weiland DDR, staatlich deklarierter «förderungsunfähiger» Gelegenheitsarbeiter in allen möglichen Disziplinen und zu Beginn der Geschichte Bewohner eines Altenheims in Erfurt. Zur Erinnerung: Der eingangs erwähnte Filmheld begegnet VIPs von Elvis Presley bis John F. Kennedy, ohne sie zu erkennen und erfindet aus Versehen so epochemachende Dinge wie das Joggen, den Smiley und den Spruch «Shit happens».
Ähnlich steht dieser Labensky zeitlebens immer wieder im Zentrum von Ereignissen, die den Lauf der deutsch-deutschen Geschichte veränderten, ohne dass er deren Tragweite realisiert. Ein Beispiel: Als er mit seinem Taxi in Ostberlin drei Hippies auflädt, welche die «Hinrichtung der Schweine» planen, bittet er Andreas, Ulrike und Gudrun – also die führenden Köpfe der Bader-Meinhof-Bande - um Gnade für die Wildsäue. Und kreiert per Zufall nebenbei auch den Namen «Rote Armee Fraktion» für die noch namenlose Terroristengruppe.
Nach diesem Muster teilt das deutsche Autorenpaar Anja und Michael Tsokos mit der Leserschaft prägende Erinnerungen an die Geschichte der DDR und derer Wiedervereinigung mit der Bundesrepublik. Dass sie uns dabei «die Sicht von Labensky» aufnötigen können, bedarf eines leider sehr plumpen Tricks. Der Protagonist erzählt die Episoden seiner und der DDR Vergangenheit nämlich auf einer Flixbus-Fahrt von Erfurt nach Warnemünde - im Schlaf zwar, aber doch so deutlich, ausführlich und in allen Details, dass auch die beiden Kinder, die afrikanische Migrantin und weitere wechselnde Sitznachbarn nicht nur alles verstehen, sondern beim – ebenfalls unrealistisch informierten - Nachfragen vom senilen Schläfer DDR-Geschichtsunterricht erhalten, wie ihn ein studierter Historiker nicht besser erteilen könnte.
Wer diese handwerkliche Schwäche auszublenden vermag, kommt aber bei dieser unterhaltsamen Geschichtsklitterung durchaus auf seine Rechnung.