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James. Von Percival Everett.

Huckleberry Finns Abenteuer aus einer anderen Optik.

Nachdem mir Percival Everetts Roman «Erschütterung» gut gefallen hatte (https://www.buechercheck.com/2022/05/02/erschuetterung-von-percival-everett) griff ich mit hohen Erwartungen zum neuen Roman des 68-jährigen US-Schriftstellers. In «James» erzählt der Literaturprofessor die «Abenteuer des Huckleberry Finn» von Mark Twain aus der Perspektive des schwarzen Sklaven Jim. Dieser heisst nun James, und sein Auftreten als unterwürfiger Leibeigener samt infantil-debil-radebrechender Sprache ist nur geschickte Tarnung, um den Vorstellungen der weissen Herrenrasse zu entsprechen. In Wirklichkeit kennt James die Voltaire’sche Forderung nach der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, schreibt in unbeobachteten Momenten seine Lebensgeschichte und spricht mit seinesgleichen – also mit anderen Sklaven – in ganz normaler Standardsprache.

Als dieser James von seiner Familie weg in einen anderen Landesteil verkauft werden soll, ergreift er zusammen mit Huckleberry die Flucht. Auf ihrer gefahrvollen Reise entlang des Missisippi geraten die beiden Vogelfreien in eine gefährliche Situation nach der anderen. Wie das literarische Gegenstück von Twain handelt auch «James» von Menschen und Orten an den Ufern des «Ol’ Man River» und eröffnet beklemmende Einblicke in Rassismus und Sklaverei, die Mitte des 19. Jahrhundert vor allem im Süden der USA noch fest verwurzelt waren und schliesslich zum Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaaten führten.

Der Roman ist trotz gelegentlicher philosophischer Exkurse über Freiheit und Gleichheit durchwegs spannend. In der deutschen Version wird das Lesevergnügen von der Umsetzung der Sklavensprache etwas getrübt. Die verschliffene Mischung zwischen Cockney, Berlinerisch und Rapperslang, in der sie Übersetzer Nikolaus Stingl wiedergibt, wirkt in der permanenten Wiederholung als Stolperstein. Aber abgesehen davon ist «James» ein grossartig aufgefrischtes Zeitdokument und funktioniert, auch wenn man das Original von Mark Twain nicht gelesen hat. Zum besseren Verständnis von «James» dient es aber allemal.  

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