Das erste Mal begegnete mir die Figur in meiner Pubertät als Titelheld eines «Büchergilde Gutenberg»-Buchs. Den Umschlag des Romans sehe ich heute noch vor mir; der Titel hingegen ist mir genau so entfallen wie der Name des intellektuell eingeschränkten Sechzehnjährigen, an dessen sexueller Ahnungslosigkeit zu meiner Verzweiflung auch die unverblümtesten Avancen gleichaltriger Mädchen abprallten. Trotz seiner erotischen Unsensibilität fielen dem Tölpel aber ohne sein Dazutun unerwartete Erfolge auf anderen Gebieten zu. Solche Dummies mit überraschenden Begabungen sind mir im Verlauf meiner Leselaufbahn immer wieder begegnet; in der wohl perfektesten Verkörperung als Tom Hanks «Forrest Gump».
In seinem neuen Roman setzt der Schweizer Schriftsteller Joachim B. Schmidt dem Typ «Sympathischer Dorftrottel» nun ein weiteres Denkmal. Der mit dem Downsyndrom geborene Titelheld Kalmann Óðinsson inszeniert sich mit Cowboyhut, Sheriffstern und einer Mauser aus dem Koreakrieg als Sheriff von Raufarhöfn. Dieses gottverlassene isländische Fischerdorf am ausgefischten Meer dämmert im unaufhaltsamen Niedergang vor sich hin, aber als der Hotelier des letzten verbliebenen Gasthauses spurlos verschwindet und Kalmann auf einem seiner Streifzüge als Security in eine frische Blutlache tappt, kommt Leben in die 170-Seelen-Siedlung.
Schmidt beschreibt den Alltag und die Menschen im höchsten Norden voller Humor und vor allem authentisch, lebt und schreibt er doch seit vielen Jahren in Island. Seinen Kalmann stattet er so aus wie viele seiner Autorenkollegen es mit «ihren» Beschränkten getan haben: Mit grossem Herz und kleinem Verstand. In Kombination mit seinem Eifer und Einsatz als selbsternanntem Polizisten gelingt ihm ein «Fahndungserfolg», der in ein alle Dörfler wie auch die Leserinnen und Leser verblüffendes Finale mündet.
Ein Krimi der originellen Art und unterhaltende Wochenendlektüre nicht nur für Liebhaber dieses Genres.