Für mich als Angehöriger der Generation «Boomer» war Franz Hohler von Kindsbeinen auf ein sicherer Unterhaltungswert. TV-mässig sozialisiert mit der Kindersendung «Franz & René» konnte ich das «Bärndütsche Gschichtli» aka «Totemügerli» auswendig, besuchte jahrzehntelang die cellountermalten Vorstellungen im Basler Kleintheater «Fauteuil» und verschlang alle Romane und Kurzgeschichten des Zürcher Kabarettisten und Autors.
Mit Hohler (Jahrgang 1943) ist es wie mit einem guten Roten (Wein natürlich …): Er altert gut. Seine eben erschienen Erzählungen unter dem Titel «Der Enkeltrick» bestätigen einmal mehr seinen Ruf als bester Geschichtenerzähler des Landes. Aus gelassen-ironischer Distanz beschreibt er erst alltägliche Situationen, bevor er sie, wie im Stück «Der Geburtstagskalender», unerwartete Wendungen nehmen lässt und zu den skurrilsten Szenarien verdichtet, bevor dann wieder der Alltag und eine veränderte Normalität einkehren.
Zusätzlichen Genuss bieten mir persönlich die vielen Stellen, an denen der Autor seine Leser in ihrer Eigenwahrnehmung abholt (beim nächtlichen Aufstieg aufs Weisshorn sieht der Protagonist in «Das weisse Spitzchen» den Grossen Wagen, «das einzige Sternbild, das Henri kannte») oder mit subtilen Anspielungen ihr Allgemeinwissen testet (etwa im ersten Satz des Buches: «Die Frau, die vor der Türe stand, war eindeutig nicht die Postbotin, obwohl sie zweimal geläutet hatte» …).
Wer sich den neuen Hohler als ideales Kurzlesefutter vor dem Einschlafen auf den Nachtisch legen will, wird die gleiche Erfahrung machen wie ich. In einem Anfall von Binge-Hohler-Reading habe ich die 14 Stories an einem regnerischen Sonntagnachmittag innert zwei Stunden in einem Zug weggelesen.