Wer sich für Nordkorea, seine Menschen oder die Situation und Stimmung dort interessiert, hat die Wahl zwischen unzähligen Sachbüchern und Zeitungsartikeln. Er und sie kann aber auch zu einem fiktionalen Werk greifen und damit zum handlichen 160-Seiten-Roman von Andreas Stichmann.
«Eine Liebe in Pjöngjang» erzählt eine richtig gute Geschichte. Eine deutsche Bibliothekarin mit gleichgeschlechtlicher sexueller Ausrichtung reist mit einer Delegation von deutschen Akademikern und Studentinnen in die verbotene nordkoreanische Hauptstadt. Dort will das Regime mit der Eröffnung einer deutschen Bibliothek eines seiner seltenen Zeugnisse von kultureller Völkerverbundenheit ablegen. In Pjöngjang angekommen verliebt sich diese Claudia Aebischer in ihre nordkoreanische Dolmetscherin Sunmi, und diese erwidert trotz des Gefälles zwischen den beiden deren Gefühle. Es ist ein grosses Vergnügen zu verfolgen - und verrät mehr über die absurden Seiten der Schreckensherrschaft in Nordkorea als so manche Reportage in der «ZEIT» oder der «FAZ» -, wie sich die beiden Frauen trotz der lückenlosen Überwachung durch Mikrofone, Kameras und regimetreue Funktionäre - sogar in der Hotelsauna - näher kommen.
Der Ausgang dieser unmöglichen Liebe in Pjöngjang muss an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, weil er auch im Roman selber offen gelassen wird. Die beiden Frauen sind zwar am Schluss des Buches in Gehweite eines offenbar existierenden Fluchtwegs von Nordkorea nach China. Ob Sunmi ihn nimmt und ob ihr die Flucht gelingt, lässt Stichmann offen. Aebischers Weg nach dem riskanten Fluchthilfe hingegen ist nach klar und alternativlos: Ohne Geliebte zurück in die Heimat.