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Zur See. Von Dörte Hansen.

Wieder einmal ein Buch, bei dem man das Umblättern auf die letzte Seite bedauert.

Ich lese gerne Romane, die vom wechselnden Fokus auf mehrere Personen leben, Menschen, die durch das Geschehen oder die Situation untereinander verbunden sind. Im Mittelpunkt des dritten Buchs der deutschen Erfolgsautorin Dörte Hansen sind dies die Mitglieder der Familie Sanders. Ihre Mitglieder leben seit Generationen als Seeleute und Fischer auf einer kleinen Insel in der Nordsee, die man nur mit einer einstündigen Fahrt auf der Fähre erreichen kann. Die traditionellen Erwerbszweige dort verschwinden allmählich und die Bewohner des Eilands, die noch nicht auf dem Festland arbeiten, arrangieren sich - bis hinein in die Intimität der  Schlaf- und Wohnräume des Sander’schen Vorzeige-Fischerhauses - mit dem Folkloretourismus, den Sommerbadegästen und dem Geld, das diese bringen.  

Wer sich auf «Zur See» einlässt, merkt schon auf den ersten Seiten, weshalb Dörte Hansens frühere Romane «Das alte Land» und «Mittagsstunde» Beststeller-Status erlangt haben. Die Lektüre entpuppt sich rasch als durch nichts getrübtes Vergnügen. Die Autorin lässt zwar auf jeder Zeile ihre Meisterschaft in der Beherrschung und Anwendung der deutschen Sprache aufblitzen; gleichzeitig nimmt sie aber mit ihrem Erzählstil die Kargheit der Landschaft und die Verschlossenheit ihrer Charaktere auf. Gesprochen wird in dieser Gesellschaft und in der Familie Sanders wenig, ob nun die fatalistische Bewältigung des rauen Inselalltags  oder die seelischen und körperlichen Nöte der Protagonisten geschildert werden. Der ausgemusterte Kapitän Jens Sanders. Seine Frau, welche ihr Heim zum B & B umfunktioniert hat. Sohn Rykmer, der von der «weissen Wand» gezeichnet nur noch als alkoholkranker Fähren-Matrose Dienst tun kann. Tochter Eske, die im lokalen Altersheim die alten Insulaner betreut. Sohn Henrik, der am Schluss im Meer ertrinkt. Lakonisch und fatalistisch schildert Hansen deren Alltag, Dialoge kennt das Buch keine. Erst als das Meer einen toten Wal auf den Strand spült und auf dem Dorf-Parkplatz ausgeweidet wird, kommt Bewegung in die norddeutsche Lethargie. Bei aller Depression des Settings ist «Zur See» wieder einmal eines dieser Bücher, bei denen man das Umblättern auf die letzte Seite bedauert.

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