Nach der Lektüre dieses Buches beschäftigen mich zwei Dinge.
Rolf von Siebenthal schreibt in seinem Nachwort: "Wie für jeden meiner Krimis gilt: Diese Geschichte ist Fiktion, die Personen und Ereignissie sind frei erfunden. Real dagegen sind die Orte und Schauplätze, die in diesem Buch beschrieben werden." Soweit so klar: Birsfelden, Basel, Lauwil, der Hafen oder der Friedhof Uster - alles real. Raab, seine Freundin, deren Tochter, die Mafia, die Pflegefachfrau und sein alter Mentor - alles erfunden. - Mit dem könnte man ja gut klar kommen.
Nun kommen aber in diesem Buch dermassen viele Schiessereien und Tötungen vor, die in einer "realexistierenden" Stadt wie Birsfelden oder Basel wohl eine Ausgangssperre auslösen würden. Oder anders gesagt: Diese Rezension entsteht an jenem Sonntag im März 2023, als man in Niederkassel-Lülsdorf (DE) eine tatsächliche Leiche kopfüber in einem Abfluss-Schacht gefunden hat. Also ziemlich spektakulrär. Und tatsächlich: innert Kürze war die Nachricht in ganz Europa verteilt und in Lülsdorf ist die Welt nicht mehr so, wie sie vorher war. - Wenn sich aber der Protagonist Raab eine Schlacht an einer Tankstelle in Reigoldswil liefert oder zum Schluss des Buches zwei alte SchulkollegInnen ermordet und sie dann in den Rhein wirft, das geht an dieser Stadt bzw. der Geschichte spurlos vorbei. Das ist weit weg von der Realität und stört, zumindest mich, ein bisschen. Wenn denn schon "alle Orte und Schauplätze" real sind, dann dürfte sich auch das Leben dort (welches bei den Raab-Geschichten generell kaum stattfindet) etwas realer anfühlen.
Das zweite ist sehr persönlich und darf eigentlich hier gar nicht stehen. Trotzdem: Mich ärgert die immer wieder bemühte Geschichte des "Sich selbst Entlassens aus dem Spital", nur um zu beschreiben, was der Protagonist doch für ein harter Kerl ist (komischerweise kommt das bei Frauen höchst selten vor...). Dieser literarische Trick wird immer wieder bemüht. Sowohl in Büchern wie auch in Filmen - meistens in Krimis. Und mich langweilt er. In vorliegenden Fall gehts dem Selbstentlassenen wenigstens danach richtig dreckig (was ihn aber nicht am Töten hindert...). Bei andern Fällen spazieren die Patienten tags darauf herum, als hätten sie die Physiotherapeutin geheiratet.
Was Spass macht an diesem Buch ist die Anlage der Teilnehmenden: Der Protagonist ist kein verschrobener Kommissär, kein pensonierter und gelangweilter Arzt, kein Rentnercop oder auch kein Wirt - sondern selber ein Krimineller, der eigentlich, wenn das Leben normal läuft, innert 20 Minuten ein Haus leerräumt. Dabei trifft er dann - zum Auftakt eines Bandes - auf Leichen oder andere Kriminelle. Das ist, das will ich gerne zugeben, sehr amüsant und vor allem gut erfunden.
Der Autor ist - gemäss Klappentext - ausgebildeter Sekundarlehrer und ein "Schreiberling" aus Passion. Das merkt und geniesst man. Das Geschriebene ist flüssig, schön und leicht zum Lesen.
Damit wir uns alle richtig verstehen: Ich fand diesen Band zwar etwas "too much". Aber die Geschichten mit Raab sind spannend und etwas anders als andere... Zudem: auf den letzten sieben Seiten des Buches druckt Rolf von Siebenthal das erste Kapitel des im Frühjahr 2024 erscheinenden, nächsten Abenteurers des Einbrechers Raab ab. Und ich werde auch diese Geschichte dannzumal lesen.