Ich stelle mir immer vor, dass mein «Befinden» über ein gelesenes Buch einer Waage mit zwei Waagschalen gleicht: In der einen liegt das Buch. In die andere lege ich Gewichte. Je mehr Gewichte ich hinein lege, desto höher schwebt das Buch.
«Das letzte Geschenk» von Calla Henkel ist eines, welches wohl schön austariert in der Mitte liegen würde: Es ist kein Buch, welches ich unbedingt auf die Insel mitnehmen müsste. Es ist aber auch ein Buch, welches ich gerne gelesen habe und ich richtig gut finde. Wie geht das?
Einerseits ist es eine spannende, unübliche und gut erfundene Geschichte. Keine «Mord – Ermittlung – Aufklärung»-Abfolge. Der beschriebene Todesfall ist ein Unfall und erst im Laufe der Geschichte ergeben sich weitere, bisher verschwiegene Verbrechen.
Dann die Protagonistin. Eine intellektuelle und aktive Lesbe, die sich vom Liebesdrama in eine Idee hinein steigert und so einen rasante und schnelle Geschichte voran treibt.
Dann der Stil: Ein Buch mit relativ viel spontanen Rückblicken. Das Buch verlangt nach voller Aufmerksamkeit. Man muss jede Zeile lesen, nicht zuletzt um auch ein paar schwarzhumorige Stellen zu verstehen. Es enthält auch eine schöne und unaufdringliche Portion an Erotik und das lässt tief in die Seele der Protagonistin (oder der Autorin?) blicken.
Die amerikanische Autorin gibt 1988 als Geburtsjahr an. Das ist gefühlsmässig jung und so ist auch ihr Buch geschrieben. Von der Social Media-Influencerin bis hin zum Hinterwälder in den Bergen – alles ist dabei und alles ist hervorragend beschrieben.
Bref: Ein cooles Buch. Knapp CHF 30.00 im Hardcover (oder 25 EUR in DE). Lohnt sich allemal. Ich würde es zu Weihnachten verschenken, auch an LeserInnen ohne Verlangen nach blutrünstigen Szenen.