Der gelbe Kleber auf dem Einband ist vielversprechend: "Einer der besten Krimis des Jahres!". Und es zeigt einmal mehr, dass diese Aussagen präziser sein sollten. Es sollte heissen: "Für mich einer der besten Krimis des Jahres..."
Vorweg: Ja, der Kriminalroman von Gauke Andriesse, der sich - wahrscheinlich um im deutschen Absatzmarkt besser verstanden zu werden - das Pseudonym Felix Weber zugelegt hat, kann schreiben. Er beschreibt Szenen, Zeiten, Orte, Begebenheiten oder Träume sehr präzise, ausführlich und in einer tollen Sprache (Original Holländisch). Ja, es ist ein schönes Buch mit sehr viel kompaktem und intensiven Inhalt.
Aber ich verstehe nicht ganz, weshalb das "...einer der besten Krimins des Jahres..." sein sollte. Für mich - merken Sie die Subjektivität der Aussage? - für mich also, hat ein Krimi einen spannenden Plot. Normalerweise ist etwas geschehen und im Laufe des Buches tastet man sich - zusammen mit einem Kommissar oder einer Ermittlerin oder einem Medium etc. - an die Lösung des Falles ran. Oder nicht?
Nun wird in diesem Buch auch der Tod eines Jungen beklagt. Die Geschichte spielt 1949 in Holland, sodass die Aufklärung mit Gesprächen und mit Rückschlüssen daraus erfolgen muss. Der Autor holt aus, verirrt sich im Leben in eines Klosters, in Kriegserlebnissen, in Kindheitserinnerungen, die allesamt nichts mit der eigentlichen Geschichte zu tun haben. Wie gesagt: interessant zum Lesen und teilweise auch schön zum Lesen. Wer aber lieber Geschichten hat, die anregen zum Mitdenken oder welche ein gewisses Tempo vorlegen, der wird mit diesem "...besten Krimi des Jahres..." etwas Mühe bekunden.
Damit wir uns richtig verstehen. Ein schlechtes Buch ist das mit Sicherheit nicht. Es ist ein Roman, welcher militärisch-historische und kulturelle Anforderungen in höchstem Masse erfüllt. Aber ein Krimi, so wie ich mir das vorstelle, ist es nicht.