Von Schirach (geb. 1964) ist ein Strafverteidiger und ein deutscher Starautor, dessen Werke Schuld oder Terror oder Gott allesamt mit der Schuldfrage und mit Moral und Ethik zu tun haben. Wer ein Buch von Ferdinand von Schirach (FvS) liest, bleibt zurück mit tieferen Gedanken über das, was er/sie gerade gelesen hat. Normalerweise sind es keine Fälle, die auf der letzten Seite mit einer Verhaftung aufgelöst werden. Und wenn doch, dann stellt man sich die Frage, ob das nun gerecht sei oder nicht. Weltberühmt ist FvS Theaterstück "Terror", wo das Theaterpublikum letztlich entscheiden muss, ob ein Armee-Pilot schuldig ist oder nicht: Er hat sich dem Befehl seines Vorgesetzten widersetzt und ein entführtes Passagierflugzeug mit 164 Passagieren an Bord abgeschossen, damit der Terrorist es nicht in ein mit siebzig Tausend Menschen gefülltes Fussballstadion abstürzen lassen konnte. Schuldig oder nicht?
Ganz so dramatisch ist die Geschichte in "Der Fall Collini" nicht. Aber trotzdem: Ein unauffälliger, älterer Mann begeht scheinbar aus den Nichts einen Mord und ein junger Verteidiger muss aufklären, weshalb. Die ganze Geschichte ist spannend, sehr tiefgründig und beschränkt sich keineswegs auf den Mord. Letztlich wird soviel aufgedeckt, sodass man am Schluss des Buches - ganz egal wie der ausgeht (ich spoilere hier nichts...) - sich Gedanken macht, ob der Mann das Recht hatte, zu töten. Und ob man ihn versteht.
Der Stil von FvS ist - natürlich - grossartig. Seine Sprache, die Dramaturgie, die Abläufe, die Dialoge - meisterhaft. Das kleine Buch kostet im Taschenbuch-Format 15 Franken, man würde aber auch 20 dafür bezahlen. Es ist ein Stück deutscher Literatur. Und nicht einfach "ein Krimi".